„Kommen S‘, Frau Grün, das wär ja gelacht, wenn man sie nicht daher platzieren könnt'“ … „Also, was is‘ denn das scho wieder, Sie Gelb, Sie? Möchten S‘ sich nicht ein bissl daher bequemen?“ Mit seinen Farben redete Alfred Gerstenbrand ausschließlich per Sie, „sonst werden s‘ mir bleidigt, weißt, und dann wirds nix Gscheit’s mit’n Licht“, erklärte er dem damals noch sehr jungen Miguel Herz-Kestranek, beide verbunden durch ihre Wahlheimat St. Gilgen und einer familiären Freundschaft, die schon auf Kestraneks Großeltern zurückging.
In St. Gilgen hatte Gerstenbrand, Mitglied des Wiener Künsterlhauses und der Secession, das reiche blau-grüne Farbenspiel des Salzkammerguts an der Hand. Nicht umsonst wurde der pittoreske Ort am Wolfgangsee mit dem Kauf eines Sommerhauses 1946 echte Heimat des ehemaligen k.u.k. Kavalleristen. Da war die Zinkenbacher Malerkolonie, der er angehörte, schon längst in alle Winde verstreut. Der lose Verbund an vor allem jüdischen Malern, die in den späten 30iger-Jahren nahe dem Zinkenbach als Künstlerkolonie zur Sommerfrische weilten, fand nach dem Krieg keine Fortsetzung mehr.
Das Museum der Zinkenbacher Malerkolonie
Seit 1996 kümmert sich ein rühriger Verein um das Nicht-Vergessen-Werden dieser Truppe, 2001 wurde in den charmanten Mauern der ehemaligen Volksschule sogar ein eigenes Museum eröffnet, dessen Besuch samt jährlicher Sommerausstellung mehr als lohnt. Denn hier atmet man die frische Atmosphäre von engagierten Menschen, die mit viel Herzblut dabei sind, dieses spezielle Andenken der zu bewahren.
Wer über den heimeligen Stiegenaufgang im ersten Stock landet, sieht zuerst eine große Holztransportkiste stehen. Sie hat Symbolcharakter, denn in ihr war der Nachlass der Künstlerin Lisl Salzer aus Seattle zurück nach St. Gilgen gekehrt. Die emigrierte Künstlerin hinterließ dem Museumsverein Zinkenbacher Malerkolonie 23 Ölbilder und 200 Grafiken aus jener Zeit, die sie hier verbracht hatte und begründete damit einen eigenen Sammlungsbestand.
Alfred Gerstenbrand
Doch zurück zu Gerstenbrand, dem die heurige Sommerausstellung gewidmet ist. Nicht die erste, aber mit neuem Fokus auf „Gerstls“ Reisen. Gustav Klimt soll den Malerfreund höchstpersönlich empfohlen haben, mit seinem eindrücklichen Talent als Karikaturist und Zeichner auf Reisen zu gehen. Gerstenbrand ist – wie man an der von Julia Diem kuraturierten Ausstellung schnell sehen kann – für die damalige Zeit sehr weit gekommen: Italien, Frankreich, Ägypten, Argentinien und immer wieder Wyoming in den USA, wo er auf der bekannten Eatons‘ Ranch auf dem Hengst „Kish“ durch die Tage reitete. Von den Reisen mitgebracht hat er unglaublich diffizile Einblicke in Menschen und ihre Umgebung, ja geradezu Studienobjekte, deren Faszination man sich schwer entziehen kann.
Die „hochwürdigen Herren in Venedig“, sind das nicht Don Camillo und Peppone? „Die Besuchertour in Kairo“ (1927) – Peter Ustinov in einer Szene von Tod am Nil wie aus dem Gesicht geschnitten. Der Film erschien 51 Jahre nachdem Gerstenbrand die ägyptische Szenerie gemalt hatte. Es ist als hätte er nicht nur dokumentiert, sondern Seelen, ja beinahe menschliche Prototypen eingefangen.
Der Besuch der Ausstellung entschleunigt ungemein. Es ist ein analoger Wind, der durch die multimedial gesättigten Hirnwindungen zieht. Fast kommt so etwas wie Urlaubsstimmung auf. Wir konnten uns schwer lösen und fuhren spontan ins wunderbare Landhaus Appesbach weiter. Dort blätterte ich durch den Ausstellungskatalog und fand die eingangs erwähnte Szene. Gerstenbrand starb 1977, seine Urne ist am Friedhof in St. Gilgen begraben.
Tipp: Ausstellung Alfred Gerstenbrand, ein Maler auf Reisen. Bis 19. Oktober 2021 täglich von 14.00 – 19.00 Uhr im
Museum Zinkenbacher Malerkolonie
Kulturhaus St. Gilgen
Aberseestraße 11/1
A-5340 St. Gilgen am Wolfgangsee
https://www.malerkolonie.at/
Copyright Besuchertour in Kairo: Archiv Gudrun Gerstenbrand