Es ist eine unglaubliche Geschichte, die Roman Sandgruber da zusammengetragen hat. Faszinierend detailgetreu und spannend wie ein Roman. Die Rothschilds, Glanz und Untergang des Wiener Welthauses, ist die facettenreiche Dokumentation zur einst reichsten Familie Europas.
Die Keimzelle lag in dem Haus mit dem „rotem Schild“ in der Frankfurter Judengasse. Fünf Söhne (von 19 geborenen und 10 lebenden Kindern) gingen hinaus in die Welt und begründeteten ein Finanzimperium, das seinesgleichen vermutlich heute noch sucht. Ausgestattet mit wenig Bildung, aber dem ganz eigenen geschäftlichen Spürsinn des Vaters.
Der ehemalige Leiter des Instituts für Zeit und Wirtschaftsgeschichte der Uni Linz, Roman Sandgruber, OÖN-Leser aufgrund seiner historisch stets interessanten Kolumnen bestens bekannt, hat sich in mühsamer Kleinarbeit in London durch das 140.000 Seiten umfassende Rothschild-Archiv gegraben. Sein unglaublich spannendes Elaborat umfasst den Wiener Zweig der Familie, dessen Aufstieg und Untergang sich über fünf Generationen zieht. An der Seite des Staatskanzlers Metternich und den Möglichkeiten, die Juden damals zur Verfügung standen, legte Salomon Rothschild in Wien die Grundlage für den österreichischen Erfolg. Und förderte durch den Bau der Eisenbahn Gmunden – Budweis auch die Entwicklung des Salzkammergutes.
Albert, der Enkel Salomons und zu seiner Zeit der reichste Mann Europas, erlebte in der Kurstadt eine heiße Liebschaft und anschließend kurze Ehe mit der Schauspielerin Helene Odilon, nachdem sie ihn bei einer Radtour im zufällig haltenden Zug in Bad Goisern erblickt hatte. Der Skandal zeigt, wie eng die Verflechtung zwischen Wirtschaft, Politik, Kunst und Hof war.
Auf den Bad Ischler Badelisten finden sich Rothschilds aus Frankfurt, Paris und natürlich Österreich. Louis Rothschild, der letzte große Familienimpresario ist jährlich vermerkt. Er hatte dem Untergang des Hauses wenig entgegenzusetzen und ertrank schließlich 1955 in Jamaika.
Die wertvolle Gemäldesammlung der Rothschilds war übrigens Teil des nationalsozialistischen Kunstraubes und im Bergstollen von Lauffen in Sicherheit verwahrt.
„Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses.“ ist aber nicht nur das faszinierende Sittenbild einer ganzen Dynastie, sondern auch ein unglaublich wertvollen Gang durch die Zeitgeschichte, die uns bis heute prägt. Das Buch hat die Auszeichnung „Wissenschaftsbuch des Jahres 2019“ mehr als verdient. Darauf aufbauend würde man sich eine dokumentarisch ebenso wertvolle Verfilmung wünschen.
Bucht-Tipp: Roman Sandgruber: Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses. Molden-Verlag, 528 Seiten, € 37,00