„Dieses erste Laufen um den See
ist ein Abstecken von Pflichtpunkten des Erinnerns,
Einlaufen in Gefühle von Geborgenheit,
Gerüche von Kindsein:
an jeder ecke ein hängen gebliebener
bleibender
bilder“
Mit einer unglaublich poetischen Wucht schraubt sich dieser erste Absatz beim Lesen in die Hirnwindungen und auch gleich mitten unter die Haut. Wer viele Kindheitserinnerungen an Altaussee hat, wird sie unmittelbar abrufen können bis zum Geruch des Sees auf nackter Sommerhaut und den Jausenbrotkrümel zwischen den Fingern. In mir macht sich Kinderlachen breit, der Ausflug nach Aussee war auch mir wie der erste Satz von Sophia Lunra Schnacks Buch „Feuchtes Holz“ „… ein Abfahren mit verinnerlichter Srecke, mit vorgezeichneten Freuden. Eine nach der anderen zählen, überprüfen, die vorbeiziehende Landschaft: ob alles noch da, dasselbe Empfinden.“ Aber nicht im entferntesten hätte ich mir diese verdichtete Form dieses lyrischen Romans je ausdenken können.
Eine Neuentdeckung, die ich im letzten Herbst bei Gudrun Suchanek in der Ausseer Buchhandlung „Buch & Boot“ hab machen dürfen, wie übrigens auch der kleine, schmale Band über die Widerstandskämpferin Resi Pesendorfer, der zu Ehren in Bad Ischl vor wenigen Tagen ein Platz gewidmet worden ist. Zwei außergewöhnliche Frauen zwischen Buchdeckeln an einem Tag. Zwei biografische Reisen mit völlig unterschiedlichen Ausgangspunkten, deren Wege sich aber doch irgendwo vielleicht gekreuzt haben könnten. Zwei lyrische Neubegegnungen, die das autobiografische Genre neu erstrahlen lassen. In „Resi Pesendorfer … dass man nicht ganz umsonst auf der Welt ist“ zeichnet Heinz Oliver Karbus das mühevolle und gefährliche Leben von Pesendorfer lyrisch verknappt und auf wenigen Seiten nach.
Schnacks Buch ist ihr im Otto Müller Verlag erschienene Debutroman und zeugt von einer Außergewöhnlichkeit, die im Literaturbetrieb nur einen starken Eintrag nehmen kann, einige Preise hat sie bereits bekommen. Auch hier geht es um die autobiografische Geschichte einer (ihrer) Familie über 4 Generationen, stellvertretend für viele, die verschwiegene Kriegstraumatas in sich tragen.
Von Kindern, die nicht mehr zurückkommen und Menschen die nicht mehr gewollt waren.
Die Erzählperson beginnt sich an das nicht mehr existente Haus der Großeltern in Altaussee zu erinnern und dringt anhand des Tagebuchs des Urgroßvaters mit Aufzeichnungen aus zwei Weltkriegen in die hintersten Winkel der Familiengeschichte. Belastungen, die ungesagt wirken, bis sie aufbrechen und nichts mehr so selbstverständlich ist, wie es immer war. Dabei wechselt Schnack gekonnt zwischen zwei Erzählweisen, springt von purer Lyrik zu Prosa, nimmt ein und gefangen und mit. Ein Buch, das man wieder zur Hand nimmt und nicht vergessen wird können. Großartig!
Buchtipps
Sophia Lunra Schack: Feuchtes Holz. Otto Müller Verlag, 320 Seiten. € 27,00
Oliver Karbus: Resi Pesendorfer – Das man nicht ganz umsonst auf der Welt ist. Verlag plag dich nicht – buch und musik, 72 Seiten, € 15,00