Sigmund Freud, das ist Psychoanalyse pur. So steht es nach meinem Psychologiestudium in Salzburg unauslöschlich in meinen Gehirnwindungen geschrieben. Nach langem Stillstand fand eine Wiederbegegnung anlässlich der Lektüre des Trafikanten von Robert Seethaler statt, ein tolles Buch, das Freud mit dem Attersee auf charmante Weise verbindet.
Bei der Recherche für den neuen Bad Ischl Stadtführer, der im April erscheinen wird, habe ich Freud von einer menschlichen Seite kennengelernt. Ich recherchierte namhafte Persönlichkeiten, die immer wieder zu Gast in Ischl waren. Freud stand auf meiner Liste. Schnell kam ich vom Hundersten ins Tausendste. Von der Hysterie zum Pilzsammeln.
Freud war begeisterter Schwammerlsucher, seine Verbundenheit zu Altaussee ist bekannt. Sein sommerlicher Fixpunkt lag aber in Bad Ischl, zahlreiche Einträge in den Curlisten zu Kaisers Geburtstag zeugen davon. Das machte mich neugierig: Zeit, Freuds Briefwechsel zu studieren. Ich fand sehr viele Hinweise auf den 18. August und die obligate Geburtstagsfeier in Ischl.
Dann las ich, dass er gerne mit Josef Breuer, den bekannten Wiener Internisten wanderte. Dieser zog ihn im Falle der Frauenrechtlerin Bertha Pappenheimer zu Rate. Breuer war der Hausarzt ihres Vaters. Ihre ersten Angstzustände und Hysterien erlitt sie während der Ischler Sommerfrische, als die beiden zugegen waren. In Freuds legendärer Abhandlung über die Hysterie wird sie als „Anna O.“ in die Geschichte eingehen.
Als nächstes fällt mir das 457-seitige Freud-Diarium google sei Dank in die Hände. Faszinierend! Die eigentliche Stadtführer-Recherche habe ich längst vergessen. Am 15. August 1894 berichtete er von einer 4-stündigen Nachtwanderung von Weißenbach nach Bad Ischl. Der Dauer nach muss es das Weißenbach am Attersee gewesen sein. Seit dem Attersee-Reiseführer weiß ich: sein Verleger Samuel Fischer hat viele Sommer am Berghof in Unterach verbracht hat. Freud kam bestimmt von einer Verlagssitzung!
Im August 1915 schrieb Freud an seine Tochter Anna aus Marienbad: „Wir denken jetzt den Aufenthalt hier bis zum Fünfzehnten zu verlängern, dann nach Ischl ins Hotel zu kommen, um den Geburtstag mitzumachen und den Rest der Sommerzeit entweder in Ischl oder in Aussee zu verbringen …“ 1915, seltsam. Der Kaiser hatte das unselige Manifest an seine Völker längst unterschrieben und war nicht mehr nach Ischl zurückgekehrt.
Aber Freuds Mutter Amalia war da, wie unzählige Sommer ihres Lebens. Meistens wohnte sie privat und feierte ihren Geburtstag am 18. August mit der Familie. Da ohnehin schon für den Kaiser adjustiert, kamen Bürgermeister und Blaskapelle zum Gratulieren bei der Mutter des „berühmten Professors“ auch immer auf einen Sprung vorbei.
In seinem Haus in London hingen übrigens Fotos, die Freud im Salzkammergut zeigen. Die Grabrede hat Stefan Zweig gehalten, auch ein Ischl-Kenner.