Sehnsucht nach Altaussee
(geschrieben in der Emigration in Kalifornien 1942)
Wieder ist es Sommer worden,
dritter, vierter Sommer schon.
Ist es Süden, ist es Norden,
wo ich von der Heimat wohn?
Kam ich auf der wirren Reise
nicht dem Ursprung wieder nah?
Dreht die Welt sich noch im Kreise –
ist es Sommer, dort wie da?
Gelten noch die alten Strecken?
Streben Gipfel noch zur Höh‘?
Liegt im bergumhegten Becken
noch der Altausseer See?
Bot sich einst dem Blick entgegen –
spiegelschwarz und wunderbar.
Himmel war nach manchem Regen
bis zum Dachsteingletscher klar!
Kulm und Kuppe: noch die kleinern
hielten Wache rings im Land.
Aufwärts ragten grün und steinern
Moosberg, Loser, Trisselwand.
Ins Plateau zu hohem Rahmen
wölbte sich die Pötschen schlank,
und es wuchsen die Zyklamen
nur auf ihrem drübern Hang.
Ach, wie war ich aller Richtung,
sommerlich vertrautes Kind!
Ach, wie war mir Wald und Lichtung,
Bach und Mulde wohlgesinnt!
Treibt’s mich heut‘ zum See, zur Klause?
Treibt’s mich auf die Blaa Alm hin?
Wird’s beim Fischer eine Jause,
wird’s ein Gang zur Wasnerin?
Wo die Triften sanft sich neigten
vom Geröll zum Flurgeheg –
ach, wo ist’s dass sich verzweigten
Hofmannsthal- und Schnitzlerweg?
Ach, wo hat’s mich hingetrieben!
Pötschen weiß ich und Plateau.
Aber welcher Hang ist drüben?
Aber die Zyklamen- wo?