Hausruinen, eine Autowaschanlage, Baucontainer, Kräne: auf den ersten Blick fragt man sich, mit welchem Blickwinkel der Architekturfotograf Stefan Oláh durch Bad Ischl gegangen ist, um mit 100 Orten des Alltags ein Bilderbuch zu kreiieren, das jenes Ischl zeigt, für das man nicht anreisen würde. 70iger Jahre Feeling macht sich beim Durchblättern breit, Asphalt als persönliche Note vor den meisten Objekten groß im Vordergrund. Stefan Oláh ist für seine schonungslose Bildsprache bekannt, er kreiert damit Geschichten, die nicht immer leicht zu verdauen sind. Aber auch zum Denken anregen.
Dieses Buch ist ein mutiger Beitrag des Pustet Verlages zum Kulturhaupstadtjahr, der unter den vielen Neupublikationen, selber ein ganze Reihe an Büchern auf den Markt geworfen hat. Aber auch ein wichtiger.
Wer sich auf die Fotos einlässt, wird plötzlich Standpunkte und Perspektiven wechseln können, in seiner inneren Haltung zu Ischl, wie auch bei der ganz einfachen Betrachtung. Der Fotograf komponiert den Alltag neu, verbindet Linien und vorhandene Strukturen. Für dieses Buch ist Oláh er öfters angereist auch ohne Fotos zu machen, „weil sich bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein kein Widerspruch aufgetan hat.“
„Zu meiner Arbeitsweise gehört nichts zu erzwingen“, sagt er, „sondern die Situation samt Witterung zu akzeptieren.“ Und vielleicht ist gerade das die Stärke dieses Buches. Widerspruch gegen die mittels Kaiserbranding „behübschten“ Fassaden. Denn auch das ist Bad Ischl: ein Ort mit Ecken und Kanten, Bausünden, Wegweisern, Kuriositäten, Unkraut und Verkehrsschildern, lebendig und im ständigen Austausch mit sich und seinen Besuchern.
In der Buchmitte steckt ein feiner Essay der ORF-Kulturmoderation Clarissa Stadler, wie hineingeschmuggelt. Sie erzählt von ihren eigenen familiären Kindheisterinnerungen mit Ischl und der Suche nach „Sophiens Doppelblick“, dem Alfred Komarek ein literarisches Denkmal setzte und den die Mutter meiner betagten Sommerfrischenachbarin nach dem Krieg kaufen wollte, um wieder ein berühmtes Ausflugsrestaurant zu machen. Stadlers Verwandtschaft war dort ab den 1930iger Jahren zu Gast.
Ein Foto des Doppelblicks sucht man in Oláhs Buch umsonst, dabei hätte es gut ins Gesamtensemble gepasst. Dafür ist das geschichtsträchtige Haus auf airbnb zu finden. Der Legende nach, soll man von dort gleichermaßen ins Ischl- wie ins Trauntal sehen, was nicht ganz richtig ist. Wer vorbeigehen möchte, orientiert sich am besten an den Hinweisschildern zur Jainzenrunde oder zum Hohenzoller Wasserfall.
BUCHTIPP:
Stefan Oláh: Bad Ischl. Essay Clarissa Stadler. Pustet Verlag 156 Seiten, € 28,00