Ebensee KZ Friedhof

Zwei Reiseführer dieses Sommers führen zu ähnlichen Orten der Erinnerung. Es sind Themen, deren Aufarbeitung wichtig sind und auch in der Kulturhauptstadt 2024 eine Bedeutung spielen. Bei der Flut an Neurscheinungen, die heuer auf das Salzkammergut regneten, war es vorauszusehen, dass Ähnliches von mehreren Verlagen aufgearbeitet wird. So haben sich sowohl der Czernin-Verlag als auch der Pustet-Verlag der Geschichte des Nationalsozialismus aber auch des Widerstandes angenommen.

Das Salzkammergut war für die Nationalsozialisten eine schillernde Bühne. Allein die Terrasse vorm Kongresshaus in Bad Ischl war starke Auftritte wert. Über die geraubten Bilder in den Salzstollen Altaussee wurde ein Hollywoodfilm gedreht. Aber nur wenige wissen, dass die bekannte Schratt-Villa in Bad Ischl im Besitz von Lehars Librettisten Löhner-Beda war. Der Nachwelt hat er so bekannte Stücke wie das „Land des Lächelns“ oder populäre Schlagertexte wie „Dein ist mein ganzes Herz“ hinterlassen. Von der Schratt-Villa wurde er mit dem ersten Prominententransport am 1. April 1938 ins KZ Dachau expediert. Damit war dem Grauen noch kein Ende gesetzt. Seiner Frau wurde mit Nachdruck nahegelegt die Villa beschämend niedrig abzugeben, dann würde es einen kleinen Hoffnungsschimmer für ihren Mann geben. In Wahrheit wurde sie danach mit ihren Kindern ebenfalls ins KZ transportiert. Aus der Familie hat keiner überlebt.

Die Bücher sind sehr unterschiedlich, haben aber beide ihre Berechtigung. Thomas Neuholds „Salzkammergut. Orte der Erinnerung. hingehen, begreifen, niemals vergessen“ (Pustet) ist ein straightes Booklet (wie es im Vorwort heißt) im überaus knackigen Layout in schwarz und rot, das man durchblättert und gut hängen bleiben kann. Für Menschen, die weniger in die Tiefe gehen, aber durchaus informiert sein wollen, ist diese Variante mit 30 Ausflugszielen zu historisch markanten Punkten der Zeit zwischen 1914 und 1963 die vielleicht bessere Wahl. Ein großes Plus ist die herausnehmbare Landkarte, auf der die Erinnerungsorte gut sichtbar verzeichnet sind.

Das Buch „Im Schatten von Hitlers ‚Alpenfestung‘ Reiseführer durch die braune Topografie“ ist der vierte Band der Reihe „Im Schatten“. Es führt zu 63 Schauplätzen im Salzkammergut und nahen Salzburg, einige gehören zu den bekanntesten Orten, wie das Weiße Rössl am Wolfgangsee oder die Fischerhütte am Toplitzsee. Andere sind unglaublich nah aber bestürzend unbekannt. Auf drei bis fünf Seiten sind werden die historischen Tatsachen fachkundig präsentiert, wird aber auch kritisch auf den Umgang mit der Vergangenheit in der Gegenwart hingewiesen. Die Kaisertage in Bad Ischl beispielsweiseEs ist ein umfassendes, hoch interessantes, lesenswertes Buch mit historischen Fotos, Literaturhinweisen und ein paar Worten zur Anreise und Gegend, um dem Reiseführercharakter genüge zu tun.

Es ist ein wichtiges Buch, das den Blick auf die Heimat schärft und zuerst einmal gelesen und dann noch ins Auto oder zum Klimaticket gelegt und mitgenommen werden sollte. Manches darin liegt auf Wegen, die zu den Standardausflugszielen gehören, wie die Erinnerungstafel an 60 Gmundner Mordopfer der Nazis an der Gmundner Esplanade, deren Namen auf einem direkt über dem Seeufer montiertem Blechband aus Kupfer eingestanzt sind.

Ein Thema, zwei unterschiedliche Herangehensweisen: möge der Leser selbst entscheiden.

Buchtipps:

Thomas Neuhold: Salzkammergut. Orte der Erinnerung. hingehen, begreifen, niemals vergessen. Verlag Anton Pustet. 86 Seiten, € 20,00

Christian Strasser, Susanne Rolinek, Gerald Lehner: Im Schatten von Hitlers „Alpenfestung“. Czernin Verlag, 344 Seiten, € 25,00

Hörtipp:

Beide Bücher waren Teil der Sendung „Literatursplitter. Neuerscheinungen über das Salzkammergut“ im Sommer 2024. Eine Sendung des Freien Radio Salzkammergutes von und mit Erich Weidinger.

Foto: Gedenkstätte am KZ-Friedhof in Ebensee.