Wilhelm Höttl

„Als André Heller von Wien kommend zum ersten Mal das Klassenzimmer in Bad Aussee betrat, sagte Wilhelm Höttl zu den Mitschülern: „Das ist der Heller, setzt euch nicht neben ihn, der hat böses Blut. Er meinte wohl meinen jüdischen Anteil an meinen Chromosomen“, sinniert Heller über die frühen Schultage in den 50er-Jahren.“

So war es am 29. 12. 2005 im Standard zu lesen. Der enge Vertraute Ernst Kaltenbrunners – vielen ist er aus dem aktuellen Film „Ein Dorf wehrt sich“ über den Kunstraum der Nazis und die Einlagerung in Altaussee bekannt – schlug sich immer auf jene Seite, die am vielversprechendesten war. Kurz vor Kriegsende waren es die Amerikaner. So schaffte er die Wende vom Kriegsverbrecher zum Kronzeugen der Anklage bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Und gründete 1952 eine Privatschule in Bad Aussee. Sogar das Goldene Landeszeichen des Landes Steiermark wurde ihm verliehen.

ORF-Journalist und Historiker Martin Haidinger interviewte den „ewigen Willi“ (so nannten ihn der CIA) als profunden Zeitzeugen in den späten 90iger-Jahren zweimal. Die letzte Begegnung in seinem Haus in Altaussee war länger und eindrucksvoller, Haidinger machte eine Diplomarbeit und nun das Buch „Wilhelm Höttl. Spion für Hitler und die USA“ daraus.

Man muss sich erst hineinlesen in den Band und seine stilistischen Sprünge, vor allem zu Beginn. Was im Radio als Feature neugierig macht, ist zwischen zwei Buchdeckeln eher ernüchternd. Aber sobald der Autor als Historiker im Sachbuchmodus schreibt, ist man zugleich schockiert und fasziniert, wie es ein Mensch geschafft hat, sich allen Hindernissen und politischen Unwegbarkeiten zum Trotz durch die Zeitgeschichte zu winden und schließlich noch eine Privatschule zu eröffnen. „Ein unauffälliger Beamtentyp, ein Nobody“, wie sich die ehmalige Schülerin Barbara Frischmuth im Buch erinnert.

Hochinteressant ist die Zeit nach dem Krieg und die Begegnungen und Spuren, die Höttl im Ausseerland hinterlassen hat. Seine Schule, die zu Beginn über dem Café Lewandowsky in Bad Aussee angesiedelt war, war ein Sammelbecken bekannter Persönlichkeiten. Neben Heller und Frischmuth war beispielsweise Jochen Rindt dort. 1962 musste sie Konkurs anmelden. Heute gilt sie als Vorläufer des BORG in Bad Aussee.

Höttl starb 1999 und ist am Altausseer Friedhof begraben. Wer jemals dort war weiß, dass er nicht groß ist. Zum Grab von Maria Haim, der einzigen „Neinstimme“ des Ortes, die Altaussee 1938 die Pflanzung einer Führereiche unmöglich gemacht hat, sind es nur ein paar Meter.

Buchtipp: Martin Haidinger: Wilhelm Höttl. Spion für Hitler und die USA. ueberreuter Sachbuch, 208 Seiten, € 22,95.

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